Zinssatz von 6 % pro Jahr als verfassungswidrig eingestuft
Wenn Steuerzahler Einspruch beim Finanzamt einlegen oder Klage vor dem Finanzgericht erheben, müssen sie die strittige Steuer zunächst einmal zahlen, weil diese beiden Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung entfalten. Wer nicht zahlen will, kann aber einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) stellen. Die Steuerschuld muss dann zunächst nicht beglichen werden, sofern ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen (summarische Prüfung). Bleiben Einspruch oder Klage nach bewilligter AdV aber endgültig erfolglos, müssen neben der ausgesetzten Steuer auch Aussetzungszinsen von 6 % pro Jahr gezahlt werden.
Hinweis: Schon 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu Erstattungs- und Nachzahlungszinsen entschieden, dass ein 6%iger Zinssatz ab 2014 verfassungswidrig ist. Für Verzinsungszeiträume ab 2019 hatte es dem Steuergesetzgeber auferlegt, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen. Nach der mittlerweile erfolgten gesetzlichen Anpassung wurde der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen auf 0,15 % pro Monat (das heißt 1,8 % pro Jahr) abgesenkt.
Nun hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass auch der AdV-Zinssatz von 6 % pro Jahr mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Das Gericht rief in dieser Frage deshalb nun ebenfalls das BVerfG an. Im Streitfall sollte der Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 15.04.2021 Aussetzungszinsen zahlen. Laut BFH ist es zumindest in einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase nicht mehr erforderlich, einen Zinssatz von 6 % anzusetzen, um den durch eine spätere Zahlung erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen. Zudem hat der BFH auf die Ungleichbehandlung hingewiesen, die nun im Hinblick auf Erstattungs- und Nachzahlungszinsen besteht.
Hinweis: Abzuwarten bleibt, wie sich das BVerfG positionieren wird. Gerne legen wir Einspruch für Sie ein, wenn Sie 6%ige Aussetzungszinsen zahlen sollen, und erwirken unter Hinweis auf den anhängigen Musterprozess ein Ruhen Ihres Verfahrens.