Unangekündigter Besuch vom Finanzamt kann rechtswidrig sein
Wenn jemand vom Finanzamt ohne Ankündigung an Ihrer Tür klingelt, können Sie den Zutritt zur eigenen Wohnung verweigern, wenn keine gerichtliche Anordnung vorgelegt wird. Der Überraschungseffekt kann aber dazu führen, dass man den Zutritt auch ohne Anordnung gewährt.
Eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung kann trotz Einwilligung der Bewohner rechtswidrig sein, wie ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigt. Im Streitfall hatte eine Geschäftsführerin überraschend Besuch von ihrem Finanzamt bekommen. Sie hatte in ihrer Einkommensteuererklärung zuvor die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers abgesetzt und eine Wohnungsskizze eingereicht. Darin war die Bezeichnung des Raums „Schlafen“ handschriftlich in „Arbeit“ abgeändert worden. Der Sachbearbeiter des Finanzamts wurde misstrauisch, da laut Skizze zum Schlafen nun kein Raum mehr zur Verfügung stand. Er schaltete daraufhin einen hausinternen „Flankenschutzprüfer“ ein, der Beamter der Steuerfahndung war. Dieser klingelte wenige Tage später (unangekündigt und ohne gerichtliche Anordnung) an der Wohnungstür der Geschäftsführerin und wurde von ihr hereingelassen. Die Überprüfung der Räume ergab, dass das abgesetzte Arbeitszimmer tatsächlich ein Arbeitszimmer war und für das Schlafen ein anderer Raum zur Verfügung stand, der in der Wohnungsskizze gar nicht eingezeichnet war.
Der BFH hat entschieden, dass die unangekündigte Wohnungsbesichtigung des Finanzamts rechtswidrig war, da die Geschäftsführerin bei der Aufklärung des Sachverhalts zuvor mitgewirkt hatte. Eine Besichtigung der Wohnung eines mitwirkungsbereiten Steuerzahlers zwecks Überprüfung des häuslichen Arbeitszimmers ist erst dann erforderlich, wenn die bestehenden Unklarheiten nicht mehr durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel (z.B. Fotografien) sachgerecht aufgeklärt werden können. Laut BFH ist der im Grundgesetz verbürgte Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung zu beachten. Das gilt auch dann, wenn der Steuerzahler – wie im Urteilsfall – der Besichtigung zugestimmt hat und deshalb kein schwerer Grundrechtseingriff vorliegt.
Hinweis: Die Ermittlungsmaßnahme war auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle des Finanzamts durchgeführt worden war. Denn das persönliche Ansehen des Steuerzahlers kann laut BFH dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte (z.B. Besucher oder Nachbarn) den Eindruck gewinnen, dass gegen den Steuerzahler strafrechtlich ermittelt wird.