Familienheim: Psychische Gründe können Ende der Selbstnutzung rechtfertigen

Psychische Gründe können Ende der Selbstnutzung rechtfertigen

Eheleute bzw. eingetragene Lebenspartner können sich untereinander ein selbstbewohntes Familienheim erbschaftsteuerfrei vererben, sofern der überlebende Partner die Immobilie nach dem Erbfall unverzüglich zur Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt. Die Steuerbefreiung für Familienheime entfällt aber nachträglich, wenn die zunächst erfolgte Selbstnutzung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall aufgegeben wird. Wird die Selbstnutzung innerhalb dieser Frist jedoch aus zwingenden Gründen aufgegeben, bleibt die Steuerfreiheit wiederum erhalten.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen zu den zwingenden Gründen gehören, sofern sie dem Erben eine Selbstnutzung des erworbenen Familienheims unmöglich oder unzumutbar machen. Im Streitfall hatte die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemanns das bislang gemeinsam bewohnte Einfamilienhaus allein weiter genutzt. Nach knapp zwei Jahren verkaufte sie die Immobilie jedoch und zog in eine Eigentumswohnung. Sie trug vor, dass sie an einer depressiven Erkrankung leide, die sich durch das Leben in dem früher gemeinsam bewohnten Haus noch verschlimmert habe. Auf ärztlichen Rat hin sei sie umgezogen. Finanzamt und Finanzgericht (FG) sahen in diesen Umständen keine zwingenden Gründe für den Auszug, so dass sie den nachträglichen Wegfall der Erbschaftsteuerbefreiung für rechtmäßig erachteten. Das FG argumentierte, dass die Haushaltsführung im geerbten Einfamilienhaus schließlich nicht unmöglich gewesen sei.

Der BFH hat das Urteil jedoch aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Laut BFH erfasst der Begriff „zwingend“ nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch der Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Letztere kann auch gegeben sein, wenn der Erbe durch den Verbleib im Familienheim einer erheblichen Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands ausgesetzt ist – ob nun körperlich oder seelisch. Das FG muss daher im zweiten Rechtsgang die Erkrankung, einschließlich Schwere und Verlauf, prüfen und dabei gegebenenfalls eine ärztliche Begutachtung einholen

Hinweis: Auch körperliche Erkrankungen können zwingende Gründe für die Aufgabe einer Selbstnutzung sein (vgl. Ausgabe 10/22). Laut BFH ist die Selbstnutzung unzumutbar, wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen für eine Weiternutzung des Familienheims so erheblicher Unterstützung bedarf, dass nicht mehr von einer selbständigen Haushaltsführung gesprochen werden kann. Im Urteilsfall konnte sich die Erbin aufgrund von zwei Bandscheibenvorfällen und eines Hüftleidens kaum noch in dem Haus bewegen.

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