Rückzahlung der Corona-Soforthilfe erhöht die Haftungsquote nicht
Wenn eine Kapitalgesellschaft ihre Steuern nicht zahlt, kann dafür die Gesellschaft selbst, aber auch ihr gesetzlicher Vertreter, der Geschäftsführer, in Haftung genommen werden. Der Geschäftsführer kann aber nur in Haftung genommen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig seine gesetzlichen Pflichten zur Zahlung nicht erfüllt hat. Bei Steuerverbindlichkeiten ist der Grundsatz der anteiligen Tilgung einzuhalten: Können nicht alle Schulden gezahlt werden, muss die Gesellschaft darauf achten, dass die Steuerschulden in etwa im gleichen Verhältnis getilgt werden wie die Forderungen der anderen Gläubiger. Um die sogenannte Haftungsquote zu errechnen, werden die sonstigen Verbindlichkeiten zu den Steuerverbindlichkeiten in ein Verhältnis gesetzt. Das Finanzgericht Münster (FG) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe die Haftungsquote erhöht.
Die Antragstellerin war alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer Unternehmergesellschaft (UG). Nach einer Betriebsprüfung beurteilte das Finanzamt Gehaltszahlungen an die Gesellschafter-Geschäftsführerin als verdeckte Gewinnausschüttungen, wodurch sich die Körperschaftsteuer erhöhte. Zwischenzeitlich wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der UG eröffnet. Das Finanzamt nahm die Antragstellerin daher für die Steuerschulden der UG in Haftung. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Die Gesellschafter-Geschäftsführerin beantragte daraufhin vor Gericht die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids. Sie begründete dies damit, dass die UG eine Corona-Soforthilfe erhalten habe, die nicht für Steuerzahlungen zu verwenden gewesen sei. Im Haftungszeitraum sei ein Teil der Ausgaben auf die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe entfallen.
Das FG hat der Antragstellerin teilweise Recht gegeben. Sie hafte zwar grundsätzlich für die Steuern der UG, sei also Haftungsschuldnerin, und das Finanzamt habe unzweifelhaft Ansprüche gegenüber der UG. Die Antragstellerin sei aber nur in Höhe von 35 % statt in Höhe von 62,53 % zur Tilgung der Steuerverbindlichkeit verpflichtet. Der Grundsatz der anteiligen Tilgung sei verletzt worden, da die Antragstellerin im relevanten Haftungszeitraum die Forderungen anderer Gläubiger in größerem Umfang getilgt habe als die Steuerschulden. Die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe sei bei der Berechnung der Haftungsquote aber nicht zu berücksichtigen, da der Betrag zweckgebunden und nicht pfändbar sei. Die Pflicht zur anteiligen Tilgung der Steuerschulden und die bei Verletzung dieser Pflicht drohende Haftung seien in der Pandemie jedoch nicht durch das Insolvenzaussetzungsgesetz ausgesetzt worden. Auch stehe dies einer Haftungsinanspruchnahme der Antragstellerin nicht entgegen.